Weekly, KW 48

 

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Guten Abend aus der rethink-Redaktion.

Bei uns geht es heute um die Abstimmungen in der Schweiz, Femizide in der Welt und möglicher Frieden in der Ukraine. 

Schön bist du mit dabei, starten wir mit dem Weekly:

Fraglicher Friedensplan für die Ukraine.

Seit Tagen rätselt die Welt über einen neuen Friedensplan für die Ukraine. Vergangene Woche sickerten durch verschiedene US-Medien Entwürfe eines 28-Punkte-Plans, mit dem ein Waffenstillstand und langfristiger Frieden in der Ukraine erreicht werden sollte. Am Sonntag ging es dann Schlag auf Schlag und in Genf wurde ein Treffen auf Berater:innen-Ebene zwischen den USA und der Ukraine abgehalten, ohne Russland. Auch die europäischen Partner waren formell nicht eingeladen, erschienen aber trotzdem bei der US-Botschaft in Genf. 

Der 28-Punkte-Plan:

Der Plan, über den die USA und die Ukraine in Genf verhandelt haben, sieht unter anderem ein umfassendes Nichtangriffsabkommen zwischen Russland, der Ukraine und Europa vor. Die Nato soll sich nicht weiter ausdehnen, die Ukraine also auf einen Beitritt verzichten. Zudem soll sie ihre Streitkräfte auf 600'000 Soldaten beschränken. Dafür erhält die Ukraine Sicherheitsgarantien. Die Ukraine bleibt EU-Beitrittskandidat. Gebiete wie die Krim und Teile des Donbass, die Russland während seines Angriffskrieges erobert hat, würden als de facto russisch anerkannt. Ein Friedensrat unter Donald Trump würde die Umsetzung überwachen, nach der ein sofortiger Waffenstillstand gälte.

In Genf haben die USA und die Ukraine über diesen Plan verhandelt und ihn laut Angaben aus Kiew und Washington “überarbeitet und verfeinert”. Details dazu sind noch nicht bekannt geworden.

Wie geht es weiter?

Der ukrainische Präsident Selenski deutete am Donnerstagabend Verhandlungen auf höchster Ebene für kommende Woche an. Er nannte dabei keine Details, sagte aber in seiner abendlichen Videoansprache in Kiew: “Nächste Woche stehen nicht nur für unsere Delegation, sondern auch für mich wichtige Verhandlungen an, und wir bereiten einen soliden Boden für diese Verhandlungen vor.”

Im Raum steht, dass Selenski ein weiteres Mal US-Präsident Trump treffen könnte. Zuletzt signalisierten Kiew und Washington, dass eine weitgehend gemeinsame Position bestehe. Es gebe nur noch kleine Unterschiede, hiess es – wobei es sein kann, dass sich dahinter die zentrale Frage verbirgt, wie mit den russisch besetzten Gebiete der Ukraine umgegangen werden soll. Aus dem 28-Punkte-Plan – der mittlerweile deutlich weniger Punkte beinhalten soll –  wurde offenbar die Forderung gestrichen, wonach die Ukraine die Donbass-Region an Russland abtreten soll. 

Und der EU-Ratspräsident António Costa vermeldete, dass die USA in Verhandlungen mit Russland nicht über EU- oder Nato-Belange sprechen würden: “Die Vereinigten Staaten und die Ukrainer haben ein neues Arbeitspapier erarbeitet”, sagte Costa dem “Handelsblatt”. “In diesem neuen Plan sind alle Punkte, die die Europäische Union betreffen, gestrichen. Alles was die Nato betrifft, ist auch gestrichen.”

Wir dürfen also gespannt auf nächste Woche blicken.


Armut in der Schweiz.

Am Mittwoch publizierte der Bundesrat den ersten nationalen Armutsbericht. Daraus geht hervor, dass fast jede zehnte Person in der Schweiz nicht genug verdient, um ihr Existenzminimum zu sichern. 

Konkret sind über 700’000 Personen armutsbetroffen. Davon sind rund 100’000 Kinder. Ihre Lebenschancen sind von Beginn weg reduziert. 

Hintergrund:

Da die Sozialhilfe von Kantonen und Gemeinden ausgerichtet wird, hat bis jetzt ein landesweiter Überblick über das Thema gefehlt. Ein Team des Bundesamts für Sozialversicherungen BSV hat dazu sämtliche verfügbaren Daten ausgewertet. In der Schweiz sind 8 bis 9 Prozent der Bevölkerung arm. Dieser Anteil ist seit über zehn Jahren stabil, obwohl die Schweiz sich eigentlich verpflichtet hatte, die Armut zu reduzieren. 

Wer gilt als arm?

Eine Person gilt als arm, wenn ihr Haushaltseinkommen nach Berücksichtigung aller Einnahmen (auch Sozialleistungen) unter dem sozialen Existenzminimum liegt. Das heisst: Die Einnahmen reichen nicht aus, um die nötigsten Ausgaben zu decken. Zu diesen wichtigen Ausgaben gehören laut der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe neben den Wohnkosten und den Gesundheitskosten: Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren, Bekleidung und Schuhe, Energieverbrauch, allgemeine Haushaltsführung, persönliche Pflege, Verkehrskosten im öffentlichen Nahverkehr, Telefon-, Internet und Radio/TV-Kosten, Bildung, Freizeit, Sport, und Unterhaltung. 

Alleinstehende brauchen zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse mindestens 1’061 Franken pro Monat zuzüglich Wohnkosten und Krankenkassenprämie, eine Familie mit zwei Kindern braucht für diesen Grundbedarf mindestens 2’271 Franken pro Monat. 

Diese Gruppen sind besonders betroffen:

Einkommensarm sind vor allem Haushalte mit tiefen Einkommen und vergleichsweise hohen Ausgaben. Wer nicht erwerbstätig ist, ist viel eher betroffen als Personen mit einer Erwerbsarbeit. Familien sind eher arm als Haushalte ohne Kinder: Besonders häufig betroffen sind Alleinerziehende und Familien mit mehr als zwei Kindern. Ebenfalls überdurchschnittlich oft arm sind Alleinlebende, Menschen mit geringer Bildung sowie Ausländerinnen und Ausländer.

Armut wird häufig an Bruchstellen im Leben sichtbar, so schreibt es das Bundesamt für Sozialversicherungen im Bericht. Also zum Beispiel beim Übertritt in die Ausbildung, ins Erwerbsleben oder bei der Pensionierung. Wenn diese Übergänge nicht gelingen, können sie zu Armut führen. Aber auch unvorhergesehene Lebensereignisse: ein (weiteres) Kind, eine Trennung, eine schwere Krankheit, ein Todesfall oder ein Arbeitsplatzverlust. Die Übergänge und Lebensereignisse sind Risiken, sie treffen aber nicht alle Menschen gleich. 

Der ausführliche Bericht zur Armut in der Schweiz bietet nun die Grundlage für die erste nationale Armutsstrategie.

Weltweit 137 Femizide pro Tag im Jahr 2024. 

Letztes Jahr wurden weltweit mehr als 80’000 Frauen oder Mädchen gezielt getötet, 50’000 davon durch Partner oder Familienmitglieder. Das bedeutet, dass alle 7 Minuten eine Frau Opfer eines Femizids wurde. Dies geht aus Zahlen hervor, die am Dienstag von UN Women und dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung veröffentlicht wurden. In der Schweiz zählen Nichtregierungsorganisationen für den gleichen Zeitraum 22 Femizide und 9 Femizid-Versuche.

Diese extreme Form geschlechtsspezifischer Gewalt betrifft Frauen und Mädchen überall auf der Welt, keine Region bleibe davon verschont. Mit geschätzten 22’600 Opfern im Jahr 2024 ist Afrika die Region mit der höchsten Gesamtzahl, wobei diese Zahl aufgrund fehlender Daten in der Region mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist.

Aufgrund fehlender Daten können die Vereinten Nationen keine umfassende Trend-Analyse über die vergangenen Jahre machen. Einzig die Regionen Amerika und Europa bieten genügend Daten. In den letzten 14 Jahren blieb die Rate der Femizide in Amerika stabil, während sie in Europa langsam aber stetig zurückging. 

Gemäss den Vereinten Nationen hat der Zugang zu digitalen Technologien bestehende Formen der Gewalt gegen Frauen verstärkt. So sind etwa Probleme wie nicht einvernehmliches Teilen von Bildern und persönlicher Daten entstanden und können zu Femiziden führen. Es gebe einen wachsenden Zusammenhang zwischen Online-Gewalt und physischer Gewalt. 

Weitere Nachrichten der Woche in Kurzform.

Stadler Rail legt Rekurs ein:
Vor drei Wochen vergaben die SBB einen Auftrag im Wert von rund 2 Milliarden Franken für 116 Doppelstockzüge für die Zürcher S-Bahn und die Westschweiz an den deutschen Zughersteller Siemens. Bereits bei der Vergabe teilte Stadler Rail aus dem Kanton Thurgau mit, überrascht über den Entscheid zu sein, da die Preisunterschiede nur minimal schienen und der Zug von Siemens im Gegensatz zu ihrem noch nicht im Einsatz erprobt sei.
Am Donnerstag nun legte das Unternehmen beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Vergabe ein. Die SBB teilten mit, dass die Auftragsvergabe kein Kopf-an-Kopf-Rennen war: Der Vorsprung von Siemens Mobility fiel klar aus. Die von Stadler Rail genannte preisliche Differenz beziehe sich nur auf die Investitionskosten. Das Angebot von Siemens habe jedoch auch bei Kosten für Energie, Trassen und Instandhaltung am besten abgeschnitten. Der Preisunterschied summiere sich über die ganze Lebensdauer von 25 Jahren auf einen dreistelligen Millionenbetrag, was die Steuerzahlenden im bestellten Regionalverkehr weniger Geld koste. 

Wie lange die Beschaffung der 116 Doppelstockzüge durch die Beschwerde verzögert wird, kann zum heutigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden. Die SBB planten den Einsatz der neuen Züge ab 2031.

Abstimmungen in der Schweiz:
Heute entschied das Stimmvolk über zwei nationale Vorlagen sowie einige spannende kantonale Entscheidungen: 

Die Erbschaftssteuer-Initiative wurde an der Urne mit 78.3 Prozent Nein-Stimmen vom Stimmvolk deutlich abgelehnt. Alle Kantone lehnten die Initiative ab. Diese verlangte, dass Erbschaften und Schenkungen in Höhe von über einem Freibetrag von 50 Millionen Franken mit fünfzig Prozent besteuert werden. Die Einnahmen sollten zu zwei Dritteln an den Bund und zu einem Drittel an die Kantone gehen und in den Klimaschutz investiert werden. 

Die Service-citoyen-Initiative forderte einen Bürgerdienst für alle, und zwar für Allgemeinheit und Umwelt. Entweder ein Dienst bei der Armee oder ein anderer gleichwertiger und anerkannter Milizdienst.
Die Initiative wurde mit 84.1 Prozent Nein-Stimmen an der Urne abgelehnt. Das Stimmvolk in allen Kantonen lehnte sie ab. 

In Appenzell-Ausserrhoden wurde über eine neue Kantonsverfassung entschieden. Während sieben Jahren wurde diese ausgearbeitet. Geblieben sind nach längerer Diskussion zwar der Begriff “Gott” in der Präambel und auch die Bezeichnung Landammann soll beibehalten werden und nicht durch Regierungspräsident oder -präsidentin ersetzt werden.  

Neu in der Verfassung festgehalten werden sollten strengere Ziele beim Umweltschutz, eine Ombudsstelle bei Problemen mit der Verwaltung und auch der Schutz von Whistleblowing soll festgeschrieben werden. Ausserdem sollten Ausländer:innen ein aktives Stimm- und Wahlrecht erhalten, wenn sie im Kanton wohnhaft sind und mindestens 10 Jahre ununterbrochen in der Schweiz leben. Sie würden jedoch kein passives Wahlrecht erhalten und könnten also nicht in Gremien, wie beispielsweise den Kantonsrat gewählt werden.

Appenzell Ausserrhoden wäre der erste Deutschschweizer Kanton mit einem Stimm- und Wahlrecht für Ausländer:innen auf kantonaler Ebene.

Das Stimmvolk erhielt die Wahl zwischen der Verfassung Variante A, ohne Stimmrecht für Ausländer:innen und Variante B, mit Ausländerstimmrecht. 

Mit 77 Prozent Ja-Stimmen entschied sich Appenzell-Ausserrhoden zwar für die neue Verfassung, aber ohne die Variante mit Ausländerstimmrecht. Variante B erhielt 72 Prozent Nein-Stimmen.

Und auch in der Waadt ging es heute um das Ausländerstimmrecht auf kantonaler Ebene. Eine Initiative fordert, dass ausländische Staatsangehörige die seit mindestens zehn Jahren in der Schweiz und seit mindestens drei Jahren im Kanton Waadt leben, auf kantonaler Ebene wählen und gewählt werden dürfen. Die Initiative wurde von verschiedener Seite unterstützt. Ein Drittel der Einwohnenden im Kanton besitzt nicht die Schweizer Staatsbürgerschaft und kann somit nicht im Kanton wählen.

Erst bei der letzten kantonalen Abstimmung vom 28. September lehnte das Waadtländer Stimmvolk eine Verkürzung der Wartefrist für ausländische Staatsangehörige zur Teilnahme an kommunalen Abstimmungen mit 56 Prozent Nein-Stimmen ab. 

Die Initiative heute wurde mit 64.8 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Damit bleiben die beiden Westschweizer Kantone Neuenburg und Jura die einzigen, die ein kantonales Ausländerstimmrecht kennen.

Und damit lasse ich Dich in die nächste Woche starten! Schön warst Du auch heute mit dabei.


Redaktionsschluss: 17:15
Weekly 48/2025

Headerbild von Milad Fakurian auf Unsplash

© rethink-blog 2025

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Oli Wingeier

Oli, findet alles Neue spannend und erstmal gut, ausser die neuen Rechten. Duscht jeden Morgen zu lange, besitzt mehr als tausend Notizbücher und zu viele Gedanken (oder umgekehrt).
Für rethink wühlt er sich jede Woche durch etliche Nachrichten und kreiert dann daraus eine Zusammenfassung der wichtigsten News. Zu lesen und hören als “Weekly”

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