Weekly, KW 51
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Guten Abend aus der rethink-Redaktion.
Diese Woche werfen wir einen ausführlichen Blick nach Bundesbern, wo im Parlament die letzte Session des Jahres zu Ende gegangen ist und die Budgetdebatte für viel Furore gesorgt hatte. Ausserdem: Es wurde gewählt in Chile, gegipfelt in Berlin und verbrannt in Brüssel.
Kräfte messen beim Geld verteilen.
Immer im Dezember geht es in National- und Ständerat um das Budget für das nächste Jahr. Während drei Wochen werden Geld-Beträge ping-pong-haft von einer in die andere Parlamentskammer gespielt.
Das vom Parlament verabschiedete, mit der Schuldenbremse konforme Bundesbudget sieht Gesamteinnahmen von rund 90,4 Milliarden und Gesamtausgaben von 91,1 Milliarden Franken vor.
Wichtig dabei ist, dass das Parlament bei der jährlichen Budgetdebatte nur über einen kleinen Teil dieser Ausgaben diskutiert: nämlich die ungebundenen Ausgaben. Der grösste Teil des Bundeshaushaltes machen aber mit rund 70% gebundene Ausgaben aus - also solche, die per Gesetz definiert sind. Etwa AHV, Sozialversicherungen oder Verkehrsfonds.
Die Legislative entscheidet also nur darüber, was mit den restlichen 30 Prozent geschieht und darum werden oft über kleine Millionenbeträge und immer die gleichen Themenfelder diskutiert. Schauen wir uns einige davon im Detail an:
Massnahmen gegen Gewalt an Frauen:
Medial für Aufsehen sorgte der Entscheid des Nationalrats, eine Million Franken für Massnahmen gegen Gewalt an Frauen zu streichen. Nach einer spontanen Demo vor dem Bundeshaus, Flut an Mails an Parlamentarier:innen und einer aus SP-Kreisen initiierten Petition an den Ständerat, sprach sich dieser danach für die Zusatzausgaben aus. Anfangs Woche korrigierte die grosse Kammer dann ihren Entscheid und willigte auch ein.
Mit dem Geld wird zum Einen eine im November angekündigte Präventionskampagne des Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann gegen häusliche, sexualisierte und geschlechtsbezogene Gewalt finanziert. Andererseits sollen über die Kantone Organisationen Geld erhalten, die Präventionsarbeit in diesem Bereich leisten.
Mit 115 zu 72 Stimmen und neun Enthaltungen willigte der Nationalrat am Montag also zu, dass Budget für die Gleichstellung von Frau und Mann um eine Million auf 8,2 Millionen Franken zu erhöhen.
Chancenloser Nachtzug:
Reaktionen löste auch die gestrichene Subvention von 10 Millionen Franken für den geplanten Nachtzug von Basel nach Malmö. Der von den Bürgerlichen durchgesetzte Entscheid führte dazu, dass die SBB die für April 2026 geplante Verbindung wieder strichen.
Das CO2-Gesetz sieht bis 2030 jährliche Nachtzug-Subventionen von bis zu 30 Millionen Franken vor. Da die 10 Millionen nun gestrichen sind, können sie für die Verminderung der Treibhausgas-Emissionen im Luftverkehr eingesetzt werden.
Verkehrsminister Albert Rösti sagte am Montag in der Fragestunde des Nationalrats, dass “die rasche Lancierung eines Nachtzuges nach Kopenhagen und Malmö durch die SBB dem ausdrücklichen politischen Auftrag des Parlamentes” entsprochen habe. Damit habe die SBB “in guten Treuen” davon ausgehen können, dass der Betrag zur Verfügung stehe und sie die Planung- wie auch den Ticketverkauf für den Zug - angehen konnte.
Hilfe für den Giftnotruf:
Der Giftnotruf 145 von Tox Info erhält vom Bund gut eine Million Franken zusätzlich, gegen den Willen des Bundesrats. Der Notruf, welcher seit 2011 der Universität Zürich angegliedert ist, kämpfte seit Anfang Jahr mit finanzieller Schwierigkeiten, weil sich private Unterstützer aus der Finanzierung zurückzogen. Beispielsweise der Schweizerische Versicherungsverband, santesuisse oder PharmaSuisse, die die Beiträge reduzierten. Mit der Erhöhung der Ausgaben durch das Parlament, springt nun der Bund in die Lücke. Der Bundesrat teilte mit, dass das Innendepartement eine neue Regelung für die künftige Finanzierung suche. Eine Aufstockung der Beiträge schwäche die Verhandlungsposition des Bundes, gab Finanzministerin Karin Keller-Sutter zu bedenken.
Weitere Ausgaben und Kürzungen:
Die Rüstungsausgaben erhöht das Parlament um 70 Millionen auf knapp 2,8 Milliarden Franken. Allerdings stutzte das Parlament im Gegenzug den Betriebsaufwand der Armee um 12,5 Millionen Franken zurück.
Für Beiträge an multilaterale Organisationen gibt es weniger Geld und ebenso für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit. Zudem werden auf Antrag der Einigungskonferenz 10 Millionen Franken von der internationalen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit verschoben.
Gekürzt wird auch beim Bundesamt für Justiz, entgegen den Warnungen, dass damit weniger Geld für die Einführung des elektronischen Identitätsnachweises (E-ID) verzögern könnte. Das Bundesamt für Cybersicherheit hingegen erhält mehr Geld. Sein Budget wurde um 10 Millionen erhöht auf rund 26,25 Millionen Franken.
Wie häufig fanden Anliegen der Landwirtschaft Gehör. Zusätzliche 10 Millionen Franken sind für den Weinbau reserviert. Mehr Geld als vom Bundesrat beantragt, gibt es auch für die Bekämpfung von Tierseuchen, für den Herdenschutz und den Kartoffelanbau.
Der Spielraum für Abweichungen nach oben war aufgrund der Schuldenbremse-Vorgaben klein. Erst in letzter Minute war bekannt geworden, dass der Bund mit zusätzlichem Steuergeld aus Genf budgetieren konnte. Diese 290 Millionen Franken steckte das Parlament vorsorglich in die Arbeitslosenversicherung.
Weitere Nachrichten der Woche in Kurzform:
Aus vom Verbrenner-Aus:
Ab 2035 sollten in der EU eigentlich keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr hergestellt und zugelassen werden. Das haben die EU-Staaten 2023 beschlossen. Nun rudert die EU-Kommission zurück: Autohersteller in der Union sollen die CO2-Emissionen ihrer Neuwagen künftig nur um 90 statt 100 Prozent verringern müssen. Die übrigen 10 Prozent sollen durch verschiedene Massnahmen kompensiert werden, etwa indem Autos aus “grünem” Stahl gebaut werden. Ausserdem werden in einem neuen Auto-Paket weitere Lockerungen für die Hersteller vorgesehen.
Es ist der grösste umweltpolitische Rückschritt der EU in den letzten Jahren und ein Kniefall sowohl vor der europäischen Autoindustrie, als auch vor den rechtsregierten Staaten wie Italien und Ungarn, die seit Jahren gegen ein Verbrenner-Aus sind. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz bezeichnete die Beschlüsse der Brüsseler Behörde als “richtige Schritte”. Nun müssen Europaparlament und die EU-Staaten über das Paket verhandeln, ein Prozess, der Monate dauern könnte.
Ukraine-Gipfel in Berlin:
Vergangenes Wochenende haben sich Vertreter der USA, der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sowie europäische Staats- und Regierungschefs zu Friedensverhandlungen in Berlin getroffen. Erstmals seit Monaten habe man gut mit
den US-Verhandlern Steve Witkoff und Jared Kushner sprechen können, meldeten europäische Vertreter im Nachgang.
In der Diskussion über Sicherheitsgarantien für die Ukraine haben die Europäer dem angegriffenen Land eine "multinationale Truppe” zugesagt. Diese würde dem Plan nach von den Europäern angeführt und von den USA unterstützt werden. Das Ziel: “Bei der Regeneration der Streitkräfte der Ukraine, der Sicherung des Luftraums der Ukraine und der Gewährleistung sichererer Meere helfen, auch durch Operationen innerhalb der Ukraine”, hiess es in einer Erklärung.
Russland schloss in der Vergangenheit mehrfach westliche, allem voran Nato-Truppen auf dem Gebiet der Ukraine kategorisch aus. Diese würden als militärisches Ziel gesehen und vernichtet werden, hiess es früher aus Moskau.
Rechtsruck in Chile:
Der ultrarechte José Antonio Kast gewann die Präsidentschaftswahlen vergangenen Sonntag deutlich mit über 58 Prozent der Stimmen. Die Kandidatin der Linken, Jeannette Jara, kommt auf rund 41 Prozent. Kast ist der rechteste Wahlsieger seit dem Ende der Militärdiktatur von Augusto Pinochet vor 35 Jahren.
Er verspreche Chile harte Arbeit, und einen Wandel, erklärte Kast in seiner Siegesrede. Sein Sieg ist ein politischer Richtungsentscheid.
Zum Wahlsieg verholfen hat Kast eine Sicherheitskrise ausgerechnet in einem der bisher sichersten Länder Lateinamerikas: Die Mordrate in Chile hat sich in weniger als zehn Jahren mehr als verdoppelt. Auch Überfälle und Entführungen nehmen zu. Schuld daran sind laut Kast Migrantinnen und Migranten aus Venezuela. Die Lösung für den neuen Präsidenten: Grenzmauern, Abschiebungen und Notrecht.
Diese Botschaft ist einfach – aber nur teilweise faktenbasiert. Zwar sind venezolanische Drogenbanden verstärkt auch in Chile aktiv. Doch die Mehrheit der Straftaten wird weiterhin von Chilenen begangen.
Soweit die Meldungen von dieser Woche.
Das nächste Weekly erreicht Dich am 4. Januar 2026.
Geniesse fest die kommenden Tage - sei es Weihnachten, Chanukka oder einfach paar Tage abschalten - und einen guten Start ins Jahr 2026. Möge es besser werden als 2025!
Redaktionsschluss: 12:30
Weekly 51/2025
Mit Informationen von: Keystone-SDA, republik.ch, spiegel.de, nytimes.com, srf.ch
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